Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat eine Reform der Deutschen Meisterschaften beschlossen. Ziel sind laut DLV-Vertretern vor allem eine Straffung des Programms sowie mehr Planbarkeit für den Veranstalter. Für die Sportler und Vereine könnte die Reform Nachteile mit sich bringen. Nachfolgend kurz Antworten auf die wichtigsten Fragen
Was wurde beschlossen?
Es soll künftig nicht mehr eine feste Norm geben, sondern eine A- und eine B-Norm. Wer die A-Norm erfüllt, ist sicher bei den Deutschen dabei. Das werden jedoch nur wenige sein: Die A-Norm soll sich an Platz acht der Deutschen Bestenliste orientieren. Die B-Norm hingegen ist die Mindestvoraussetzung zur Teilnahme. Sie reicht aber nicht automatisch zur Qualifikation, denn es soll eine maximale Meldezahl geben: In den Laufdisziplinen maximal 24 Sportler(innen), in den technischen (Sprung und Wurf) nur deren 14. Außerdem ist es fortan nicht mehr Möglich, sich mit Leistungen aus der Halle oder dem Vorjahr zu qualifizieren.
Ab wann gelten die neue Regeln?
Geplant ist, dass sie im kommenden Jahr greifen, also erstmals bei den Deutschen Meisterschaften am 16./17. Juni 2012 in Bochum-Wattenscheid.
Sind auch die Jugend-Meisterschaften betroffen?
Nein, bisher ist nur geplant, dass die Regel für die Einzel-Meisterschaften der Männer und Frauen gilt.
Was soll die Änderung bringen?
Offizieller Tenor ist, dass man die Deutschen Meisterschaften straffer und planbarer machen will. DLV-Veranstaltungsdirektor Frank Kowalski sagte: „Durch die Begrenzungen der Teilnehmerfelder werden die Meisterschaften planbarer, und wir können sie noch besser positionieren.“ Es wird davon ausgegangen, dass vor allem an die Übertragung im TV gedacht wird.
Werden die Ziele durch die Reform erreicht?
Das ist strittig. Kurt Ring führt auf der Seite der LG Regensburg beispielsweise die Teilnehmerfelder der DM in Kassel auf und kommt zu dem Fazit: „Entweder die Mitglieder der AG Wettkampfwesen haben sich die Teilnehmerprotokolle der letzten 2 Jahre (Braunschweig und Kassel) nicht durchgelesen oder sie sind schlichtweg unbelehrbar.“ Zu der Frage, ob die Reform überhaupt notwendig ist, gesellen sich Probleme, die erst durch die Reform entstehen (siehe weiter unten).
Gibt es offene Fragen?
Ja. Zum Beispiel sind Meldezahlen nicht gleich Teilnehmerzahlen. Häufig melden Athleten auch in Disziplinen, in denen sie doch nicht antreten. Unklar ist, ob das erlaubt bleibt oder ob dadurch in manchen Feldern noch deutlich weniger Teilnehmer an den Start gehen, als angedacht. Ob es eine Nachrückliste gibt, falls sich Athleten noch rechtzeitig abmelden, wurde nicht bekannt gegeben. Auch unklar ist, was mit Personen passiert, die gleiche Leistungen erbracht haben. Gerade in Hoch- und Stabhochsprung gibt es häufig viele Höhengleiche Aktive. Ob in dem Fall, dass auf Platz 14 der Bestenliste mehrere die gleiche Höhe haben, das Teilnehmerfeld vergrößert wird, ist bislang nicht bekannt. Auch unklar ist, ob eine zeitnahe und aktuelle Veröffentlichung des Bestenlisten wirklich gelingt.
Was bedeuten die Änderungen für die Veranstaltungen des TSV Pfungstadt?
Direkte Auswirkungen hat die Regel freilich nicht, aber indirekte. So sind in den vergangenen Jahren häufig Athleten bei unseren Abendsportfesten angetreten, mit dem Ziel, die DM-Norm zu schaffen. Dies konnte entsprechend anmoderiert und von den Zuschauern verfolgt werden. Damit ist künftig Schluss (es sei denn es geht um die A-Norm). Zwar können sich weiterhin Athletinnen und Athleten bei uns für die Deutschen qualifizieren, ob das aber wirklich geklappt hat, wird man erst bei Bekanntgabe der DM-Teilnehmer durch den DLV wissen, nicht direkt nach Auswertung von Lauf, Wurf oder Sprung im Stadion.
Was bedeuten die Änderungen für die Athletinnen und Athleten des TSV Pfungstadt?
Für die wird es aller Voraussicht nach schwerer, den Sprung zu den Deutschen Meisterschaften zu schaffen, vor allem, wenn es sich wirklich um einen Sprung (oder Wurf) handelt. Besonders im Übergang zwischen Jugend- und Männer/Frauen-Klasse wird es bei normaler Leistungsentwicklung womöglich eine „Durststrecke“ geben. In diesem Alter gibt es zwar Juniorenmeisterschaften, jedoch erhalten diese bislang leider verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit.
Außerdem wird den Athleten, Trainern und Eltern die Planungssicherheit verloren gehen. Es ist nicht möglich, bereits in der Vorbereitung zu sagen, welche Leistung notwendig sein wird, um zum Saisonhöhepunkt zu gelangen. Gerade bei Disziplinen, die von Taktik geprägt sind (z.B. die Mittelstrecken), wird dies auch andere Wettkämpfe wie Hessische Meisterschaften beeinflussen (früher konnten Sportler eine bereits erlaufene DM-Norm vorausgesetzt hier taktieren). Statt dem Blick auf die Uhr nach dem Wettkampf wird nun ein täglicher Blick in die Bestenlisten notwendig sein, um zu wissen, ob noch weitere Wettkämpfe vor den Deutschen notwendig sind (um sich zu verbessern), oder ob man sich auf das Training konzentrieren kann. Außerdem wird im Falle von Qualifikationen der Verein erst sehr kurzfristig Ausschau nach Unterkünften im jeweiligen Veranstaltungsort halten können und nicht bereits, wenn eine Qualifikationsnorm erzielt wurde.
Gibt es Kritik am Vorhaben des DLV?
Ja, die gibt es und zwar auf vielschichtiger Ebene. Mehrere Vereine, Trainer und vor allem Athleten haben sich offen oder in privaten Gesprächen kritisch geäußert. Es gibt zudem einen zur Mitzeichnung freigegebenen Offenen Brief an den DLV, in dem die Reform und andere Punkte bei der Ausführung nationaler Meisterschaften kritisiert werden. Dieser Brief soll in etwa zwei Wochen an den DLV übergeben werden und wurde auch von einigen Athleten und Freunden des TSV Pfungstadt unterzeichnet.
Disclaimer:
Der Autor dieses Textes und Pressewart der Leichtathletik-Abteilung des TSV Pfungstadt ist Initiator des Offenen Briefes, den er als Privatperson aufgesetzt hat.